Mit der heutigen Rezension schlage ich mal ein paar ernste Töne an, denn heute möchte ich euch ein Buch vorstellen, dass sich mit einem eben solchen ernsten Thema befasst. Herzlich Willkommen in einem ganz normalen Berliner Hinterhof, für den die Flüchtlingsproblematik plötzlich eine ganz persönliche Note bekommt.
Da mir das Buch mit der Bedingung einer Rezension zur Verfügung gestellt wurde, weise ich hier mal darauf hin, dass der Artikel Spuren von Werbung enthalten könnte.
Klappentext:
Was passiert mit einer Hausgemeinschaft, wenn auf einmal statt Mülltrennung Weltpolitik diskutiert wird?
Die Linde im Hinterhof grünt gerade erst, als die Bewohner der Nummer 68 im Prenzlauer Berg entscheiden, dem syrischen Kriegsflüchtling Samih Unterschlupf zu bieten.Doch mit der Zeit spaltet sich die Hausgemeinschaft in hilfsbereite und um die eigene Sicherheit besorgte Menschen, deren Zentrum die Linde im Hof bildet und als Inbegriff des deutschen Raumes gilt.
Im Hinterhof erlebt sie als stumme Zeugin, das Verhalten und die Gedanken der 68er gegenüber ihrem neuen Nachbarn Samih. Die neuesten Entwicklungen, die er mit sich bringt und die gemeinsamen Entscheidungen der sehr heterogenen Hausgemeinschaft werden im Hinterhof ausgetragen. Bis das letzte Blatt der Linde im Herbst gefallen ist, werden die Bewohner einiges über sich und ihre wahren Absichten offenbart haben.Maik Siegel hat mit Hinterhofleben ein Buch geschaffen, das ein Gesellschaftsroman im klassischen Sinne ist und aktuelle und gerade hoch brisante Themen behandelt, ohne dabei den Humor zu verlieren. Von den Kriegszuständen in Syrien, den Flüchtlingsströmen zu Land und zu Wasser, der deutschen Willkommenskultur, Homosexualität, Gewalt in Computerspielen, der europäischen Kolonialisierungsgeschichte, kindlicher Abenteuerlust und dem Helfer-Syndrom wird mal mit Ernsthaftigkeit, mal mit Witz und Sarkasmus erzählt. Dabei gibt die Komplexität der Charaktere den gängigen Argumenten in der Flüchtlingsdebatte ein Gesicht, das jenseits von Schwarz- und Weißmalerei liegt.
Details:
* Divan * 252 Seiten * Taschenbuch * 15,90 € * Erschienen am 27.11.2017 *
Vorab möchte ich sagen, dass ich mit dieser Rezension keine politische Diskussion lostreten möchte und dass ich meine Meinung zu diesem Thema hier auch nicht kundtun werde. Es geht allein um die Besprechung des Buches.
Im Prenzlauer Berg ist die Welt noch in Ordnung. Die Hausgemeinschaft lebt weitestgehend friedlich mit einander und jeder nimmt auf jeden Rücksicht. Bis Inga und Jan den anderen Bewohnern mitteilen, dass sie einen illegalen Flüchtling aus Syrien bei sich aufnehmen werden. Plötzlich prallen politische Meinungen, Stammtischweisheiten und ein traumatisierter Kriegsflüchtling aufeinander und nicht jeder ist von dem Neuankömmling und den Herausforderungen, die er mit sich bringt, begeistert.
Gut gefallen hat mir die differenzierte Betrachtungsweise des Autoren. Er wertet nicht, welcher Standpunkt der Hausbewohner gut oder schlecht, richtig oder falsch ist und drückt dem Leser keinen Stempel auf. Kurzum, das Buch ist nicht dafür gemacht, jemanden umzustimmen oder zu bekehren. Sachlich werden viele Problematiken rund um das Flüchtlingsthema angesprochen, ohne dabei belehrend zu wirken, was dieses Buch für mich zur perfekten Schullektüre machen würde. Der Leser wird immer dazu angehalten sich selbst eine Meinung zu bilden, wobei klar zu sagen ist, dass es sich weder um einen Zeugenbericht noch um die Nachrichten handelt.
Der Schreibstil nimmt der Thematik für mein Empfinden die Brisanz, da Maik Siegel eher locker und entspannt an die Geschichte von Samih und den Bewohnern der 68 umgeht. Der Einstieg fiel mir nicht ganz so leicht, da es hier nicht einen festen Protagonisten gibt. Jeder der Hausbewohner wird im Laufe des Buches näher beleuchtet und so kommen Pro- als auch Antiflüchtlingsstimmen zu Wort und können ihre Bedenken und Gefühle äußern.
Vor allem aber gewinnt das Buch durch die Auftritte von Tulmaini, einem 12 Jahre alten Jungen mit Migrationshintergrund an Leichtigkeit. Die Szenen, in denen er seine Auftritte hat, in denen er die Situation im Haus hinterfragt und Samih versucht zu verstehen und kennen zu lernen, sind geprägt von kindlicher Neugierde und Unschuld. So ist auch der Leser gezwungen das ganze Szenario noch einmal unvoreingenommen zu betrachten und kann seine Meinung noch einmal überdenken, ohne das Gefühl zu haben, er würde nicht verstanden oder gemaßregelt werden.
Schlussendlich hat Hinterhofleben es gemeistert ein sensibles Thema anzusprechen, ohne dabei dabei irgendjemanden vor den Kopf zu stoßen. Teils war mir das Buch dabei auch ein wenig zu soft, teils hielt ich es für Augenwischerei, doch im großen und ganzen hat es mich überzeugen können. irgendwie wünsche ich mir gerade ich hätte noch eine Kategorie zwischen dem Lesetipp und dem Mittelding, denn beiden wird nicht wirklich gerecht. Letztendlich überwiegen aber die positiven Punkte, womit es bei den Lesetipps landet.
Zuletzt möchte ich mich für die Bereitstellung des Leseexemplars bedanken und frage nun euch, ob solch ein Buch etwas für euch wäre oder ob ihr da lieber die Finger von lasst. Ich freue mich auf eure Antworten!
4 Comments
Nicci Trallafitti
Liebe Rika,
ich bin sehr gespannt, ich hatte das Buch bei Becca entdeckt, die es vorgestellt hat und verlosen wird.
Mal schauen, vielleicht gewinne ich es ja sogar 🙂
Das Thema ist wichtig und ich bin sehr neugierig auf die Umsetzung.
Liebe Grüße,
Nicci
Rika
Liebe Nicci,
ich muss sagen, dass ich es besser fand, als ich nach den ersten Seiten gedacht hätte und finde auch, dass es ein wichtiges Thema ist.
Leider ist es ja so, dass gerade die Leute, die es lesen sollten, so ein Buch niemals freiwillig in die Hand nehmen würden. Sehr schade…
Ich drücke dir aber die Daumen für Beccas Verlosung. 🙂
Liebst,
Rika
Nicci Trallafitti
Da hast du leider recht..
Als Schullektüre eignet sich sowas ja auch immer ganz gut, finde ich.
Danke <3
Pingback: